24.7.17 Deutsch-Rixdorf oder Neuköllner Parks….

Treff: auf dem S Neukölln 13:30

Dauer ca. 2 Std.

Preis: 4,-€

 

Bis 1920 war Neukölln eine eigenständige Stadt, die bis 1912 den Namen Rixdorf trug. Das böhmische Dorf war ja schon mehrfach Thema. Heute geht es ins ehemalige Deutsch-Rixdorf bzw. dessen Erweiterung in der Anfangszeit von „Neukölln“ – heute firmiert die Ortslage nordwestlich des S- und U-Bahnhofs Neukölln formal unter „Körnerpark“. Im Norden berührt unser Spaziergang an der Parkanlage „Schillerhöhe“ auch die „Rollbergsiedlung“.

Ausgehend vom S Bahnhof Neukölln geht es diesmal die Karl-Marx-Straße südwärts, die Ringbahn- und die Silbersteinstraße überschreitend. Dann geht es rechts die Dellbrückstraße hinein, wo wir nach ca. 600 m auf die älteste Eisengießerei Neuköllns treffen, dem „Eisenwerk Franz Weeren“.

Derzeit entsteht dort Wohnungsbau unter dem Motto „Wohnen an der Glockengießerei‘ – dadurch hat man leider derzeit auch keinen Zugang zum Baudenkmal selbst. In der Fabrikantenvilla dazu befindet sich heute eine beliebte Gasthausbrauerei – das „Brauhaus Rixdorf‘, zugänglich über die parallel laufende Glasower Straße.

An der Hermannstraße geht es kurz nach rechts, dann an der Hertastraße wieder nach rechts.

Ein nächster Punkt unseres Spaziergangs ist hier schon zu sehen, die dreischiffig angelegte monumentale Philipp-Melanchthon-Kirche an der Ecke Kranoldstraße, in die wir hinein schauen können,  wahrscheinlich leider ohne Führung.

Die Kirche wurde in einem  Gebäudekomplex mit Pfarrhaus und Gemeindehaus 1914–1916 erbaut, nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg 1948/1949 instandgesetzt und steht seit 1991 unter Denkmalschutz.

Die Evangelische Stadtkirchengemeinde Neukölln wurde im Zuge der Industrialisierung und des massenhaften Zuzugs von Menschen eine der größten Großstadtgemeinden in Deutschland mit über 200.000 Mitgliedern. Diese Gemeinde, nach der Zahl ihrer Kirchen in fünf Hauptbezirke gegliedert, blieb bis 1948 erhalten, danach wurde jeder Hauptbezirk selbständig. Mit dem Rückgang der Mitgliederzahlen schlossen sich Gemeinden wieder zusammen; so bildet die Gemeinde der Philipp-Melanchthon-Kirche inzwischen mit der der Fürbitt-Kirche die Evangelische Fürbitt-Melanchthon-Kirchengemeinde im Pfarrsprengel  Nordwest-Neukölln.

Der Bau der Philipp-Melanchthon-Kirche im südlich der Ringbahn gelegenen Teil Neuköllns lässt sich bis 1904 zurückverfolgen, als der renommierte Architekt Franz Schwechten für den Reuterplatz einen monumentalen Kuppelbau für 1100 Menschen entwarf. Dieser repräsentative Kirchbau kam jedoch aus finanziellen Gründen nicht zustande.

Im Januar 1909 wurden die Grundstücke für die Nikodemuskirche und die Philipp-Melanchthon-Kirche erworben. Die wesentlich billigere Nikodemuskirche wurde zuerst gebaut, anschließend nahm man die Philipp-Melanchthon-Kirche in Angriff. Die Grundsteinlegung war am 24. April 1914, die Einweihung am 23. Mai 1916. Der Entwurf stammte von dem Architekten Fritz Gottlob, die Baukosten betrugen rund 430.000 Mark.

Im Ersten Weltkrieg wurden die Bronze-Glocken für Rüstungs-zwecke konfisziert und eingeschmolzen. 1923 wurde ein neues Geläut aufgezogen.

In der Bombennacht vom 29. zum 30. Dezember 1943 wurde die Kirche schwer beschädigt. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Kirche durch Artilleriebeschuss vollends unbenutzbar. 1948 begann der Wiederaufbau, 1949 wurden die Kirchenfenster unter Leitung von Herbert Noth erneuert. Im Dezember 1949 wurde die Kirche von Bischof Otto Dibelius wieder eingeweiht. 1951 wurde der Kirchturm neu eingedeckt und 1956 der große Saal renoviert. Zwischen 1965 und 1966 wurde die ursprüngliche Brauthalle der Kirche zu einer kleinen Kapelle umgebaut.

1990–1992 wurden Kirche und Gemeindehaus außen und innen saniert, nach Abschluss der Arbeiten wurde die Kirche am 1. November 1992 wieder eingeweiht.

Der Grundriss des Zentralbaus zeigt vier gleich lange Arme wie ein  griechisches Kreuz. Der vierkantige, 68 Meter hohe Eckturm mit seinem flächig geschlossenen Schaft mit einem hohen Pyramidendach hat im Glockengeschoss ädikulaartige Klangarkaden. Drei schmucklose  Eisenhartgussglocken ohne Krone vom Eisenwerk Franz Weeren bilden das Geläut.

Der Sockel und die gliedernden Architekturteile wurden aus quadermäßig versetztem und bearbeitetem Kunststein hergestellt, die Flächen darüber mit FelsitPorphyrPutz verkleidet. Der Giebel des Hauptschiffes wurde in reicher Pfeilergliederung mit verkröpften Gesimsen aufgelöst, die Querhausgiebel in zwei Fensterpaaren. Die Giebelfelder werden von Pylonen flankiert. In der architektonischen Gestaltung zeigt sich die beginnende Moderne, allerdings noch mit Anklängen an  Klassizismus und Jugendstil.

Der Innenraum ist mit einem Sterngewölbe überdeckt, das Querschiff und die rückwärtige Front sind mit Emporen ausgestattet. In der Vorhalle steht die Statue des Philipp Melanchthons, der in der Hand die Bibel hält. Am 5. April 1964 wurde die neue Schuke-Orgel mit drei Manualen, einem Pedal, 38 Registern und 2700 Pfeifen eingeweiht, sie ersetzt die alte Sauer-Orgel.

Für den Einbau der neuen Orgel wurde die Orgelempore verändert, sie musste durch Stahlträger verstärkt werden. Das Rundfenster hinter der Orgel wurde zugemauert.

Von dort geht es wieder zur Hermannstraße und diese – die Ringbahn querend entlang, gut 1,5 km nordwärts vorbei an mehreren interessanten Friedhöfen, die später Mal Ziel eines oder mehrerer Spaziergänge sein können.

Auf der von uns gesehen linken Straßenseite sind dies der St Jacobi-Kirchhof II und der Kirchhof der Jerusalem und Neuen Kirche V, beiderseits der St. Thomaskirchhof, nur auf der rechten Seite dann der Kirchhof Luisenstadt II und der katholische St. Michaelkirchhof I.

Über die Leykestraße und vorbei an einem Schulkomplex erreichen wir die Parkanlage Lessinghöhe. Geografisch befinden wir uns hier im Bereich der „Rollberge“. Die Neuköllner Rollberge entstanden als Ablagerungen vor rund 20.000 Jahren während der letzten Eiszeit, der Weichsel-Kaltzeit. Die Hügel wurden bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts von den Bewohnern Rixdorfs (heute: Neukölln) landwirtschaftlich genutzt. Mit der Industrialisierung verkauften sie die Hügel, aus denen fortan der eiszeitliche Kies und Sand abgebaut wurde. Weite Teile der Rollberge sind so aus dem Landschaftsbild verschwunden und wurden überbaut, beispielsweise durch die nordwestlich gelegene Rollbergsiedlung. Auf dem Gebiet der heutigen Lessinghöhe sowie der Thomashöhe entstanden zu dieser Zeit Kleingartensiedlungen.

Diese Flächen wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs benötigt, um Trümmer der angrenzenden Häuser aufzuschütten. So entstand in den 1950er Jahren zunächst die Thomashöhe und anschließend die Lessinghöhe.

Im Park der Lessinghöhe befindet sich das Kinder- und Jugendzentrum Lessinghöhe.

Südlich des Mittelweges erreichen wir die Thomashöhe.

Die „grünen Hügel“ von Lessinghöhe und Thomashöhe sind heute auch Teil des Projektes „Gartenkulturpfad Neukölln“. Und südlich der grünen Hügel schließt sich der in einer ehemaligen Kiesgrube liegende neobarock gestaltete Körnerpark an, der mit Orangerie, Terrassen, Rhododendren und Kaskaden fast schon einem Schlosspark ähnelt….

. Der Park wurde in einer ehemaligen Kiesgrube angelegt, die der Besitzer Franz Körner 1910 der damaligen Stadt Rixdorf abtrat. Einzige Bedingung war, dass der Park seinen Namen tragen müsse. Die wahrscheinlich von Hans Richard Kullenberg entworfene und zwischen 1912 und 1916 im Stil des Neobarock errichtete Parkanlage sollte nach dem Willen der Stadtväter „dem […] umgebenden Stadtviertel ein besonders schmuckvolles Gepräge geben und zur Durchführung einer hervorragend schönen Umbauung und zur Schaffung einer besonders bevorzugten Wohngegend anspornen.“ Das Areal liegt aufgrund der vorherigen Nutzung als Kiesgrube fünf bis sieben Meter tiefer als das umliegende Straßenniveau und wird auf drei Seiten von Stützmauern eingefasst. An die westliche Einfassungsmauer lehnt sich – ähnlich wie in Versailles – die Orangerie an. Neben dem  Mär-chenbrunnen im Volkspark Friedrichshain und der Kaskade am  Lietzensee ist der Körnerpark das bedeutendste Zeugnis  neobarocker Gartengestaltung in Berlin. Ab 1977 wurden die gärtnerischen Anlagen auf der Grundlage vorhandener Dokumente wiederhergestellt. Die Kaskadenanlage und die Kanäle wurden saniert. Auf der Terrasse vor der Orangerie stehen inzwischen wieder Kübelpflanzen, und die reichhaltigen Staudenanpflanzungen sind erneuert.

Seit dem 2. April 2004 ist der Körnerpark denkmalgeschützt. Das Gelände erlangte archäologische Bekanntheit, als am 23. Januar 1912 an der Ecke Jonas-/Selkestraße bei Bauarbeiten das Reitergrab von Neukölln gefunden wurde. Das Grab stammt aus der Zeit der Völkerwanderung im 5. und 6. Jahrhundert. Reiter und Pferd waren in einer Gruft von 2,50 Meter Tiefe untergebracht. Der männliche Tote mit einem Sterbealter von etwa 40 Jahren war nach hunnischer Sitte mit seinem Pferd bestattet. Im Grab wurden weiterhin Reste eines mit Eisenteilen beschlagenen Ledergürtels, Bronzenägel und ein Tongefäß gefunden. Ein Langschwert lag quer über dem Körper des Toten…

Im Körnerpark gibt es auch eine Galerie mit einem angeschlossenen täglich geöffneten Café (in der Regel mit Selbstbedienung), wo wir abschließend, bevor wir zum S-und U-Bahnhof Neukölln zurückkehren, rasten können.

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