29.8.2016 Das Rheingauviertel

Wir starten unseren Spaziergang auf dem U-Bahnhof Rüdesheimer Platz. Schon der Bahnhof wie auch andere der heutigen U 3 sind selbst sehenswert, von der Gestaltung der Wände, der Leuchten, der früheren Ein- und Ausgangslogen…..

Der Rüdesheimer Platz ist Teil des Rheingauviertels. Dieses Viertel (auch Rheinisches Viertel genannt) entstand vor dem Ersten Weltkrieg als einheitliche Mietshausbebauung. Die Häuser sind schön im englischen Stil angelegt und haben leicht ansteigende Grünflächen mit Beeten davor.

Der Platz ist sehr schön bepflanzt mit Blumenrabatten und gerade jetzt im April blühen Tulpen und Stiefmütterchen um die Wette.

Häuser im Landhausstil gibt es überall im Viertel, wie zum Beispiel auch an der Landauer Straße. Wie sah es im Berlin und Umgebung 1900 in Bezug auf Wohnungen aus? Im Text „Schöner Wohnen in der Gartenstadt“ von Stefan Wiehler findet sich folgendes:

„Im stöhnenden Getriebe der Großstadt sehnt sich der Bürger nach dörflicher Beschaulichkeit, nach Häusern mit hellen Zimmern und Ausblick auf grüne Vorgärten. Berlin ballt und bläht sich unter dem Zustrom neuer Bewohner und wächst über seine Grenzen hinaus. Zwei Millionen Menschen leben Anfang des 20. Jahrhunderts hier, viele davon in bedrängender Enge. Die Stadt mit den meisten Mietskasernen der Welt zählt 1903 eine Million Wohnungen, 400 000 davon haben nur ein Zimmer, 300 000 weitere zwei Räume. In den Massenherbergen haust das Proletariat, über die Hinterhöfe ziehen die Rauchschwaden aus den Fabrikschloten von Borsig und Siemens. Wer es sich leisten kann, zieht gegen die vorherrschende Windrichtung in den Westen.“

Ein solches bürgerliches Wohnquartier entstand im Süden Wilmersdorfs – das heutige Rheingauviertel….

„Die Nachbargemeinden Schöneberg, Charlottenburg und Wilmersdorf gedeihen auf dem Nährboden der expandierenden Reichshauptstadt und der Nachfrage nach gehobenem Wohnkomfort prächtig. Das Baugeschäft floriert. Immobilienkonsortien erwerben mit dem Geld von Banken und Aktionären großflächige Flurstücke von den Bauern, erschließen neue Straßen und entwickeln moderne Wohnquartiere, stetig begleitet von einer fachsinnigen Debatte über gelungene Baukunst und Visionen für die Stadt von morgen. Bauherren sind als Pioniere gefragt. Der Kaufmann Salomon Haberland, Gründer der Berliner Boden-Gesellschaft, und sein Sohn Ernst Haberland, fühlen sich diesem Anspruch verpflichtet. In den Jahren zuvor haben sie bereits in Schöneberg den Viktoria-Luise-Platz und das Bayerische Viertel als Quartiere für wohlhabende Bürger gestaltet. Die Zeitschrift „Berliner Leben“ stellt in der Oktober-Ausgabe 1911 das neueste Haberland-Projekt vor: die Gartenstadt Wilmersdorf-Süd. Die Aufnahme zeigt den soeben vollendeten ersten Bauabschnitt des Rheingauviertels: die neue Landauer Straße. Der Architekt Paul Jatzow plante die Bebauung im Stil englischer Gartenvorstädte. Die aufgelockerten Fassaden in braungelbem Mörtelputz mit Balkonen und Erkern, Giebeln und Fachwerkornament schaffen Landhaus-Ambiente. Die terrassenartig angelegten Vorgärten vergrößern den Abstand zwischen den Häuserfronten, das Straßenbild dehnt sich zu einem „licht- und luftdurchfluteten“ Boulevard. „Ein Kleinstadtidyll zaubert die Landauer Straße mitten in die Großstadt hinein, sie macht die Sehnsucht des Großstädters nach der Kleinstadt zu einer architektonisch gebundenen“, schreibt der Architekt Kurt Pallmann 1912.“

Haberlands Berlinische Boden-Gesellschaft plante und baute das Rheingau-Viertel mit dem Rüdesheimer Platz als ideellem und gesellschaftlichen Mittelpunkt.

1909 bekam der Rüdesheimer Platz seinen Namen.

1910 erfolgte der öffentliche Wettbewerb für die Platzgestaltung.

Der mit dem 1. Preis ausgezeichnete Entwurf war von H. Berg, Gartenarchitekt, und H. von Hoven, Architekt. Der Entwurf wurde jedoch verändert und die Figurengruppe des Siegfried zugefügt.

Der Brunnen mit dem Siegfried oben drauf springt sofort ins Auge und dort oben schließen wir unseren Rundgang gern am traditionellen „Weinbrunnen“…

Der klar gegliederte Platz fügte sich harmonisch in den baulichen Rahmen der „Gartenterrassenstadt“, mit einer einzigartigen Raumwirkung durch die vertiefte Mittelfläche, die unmerklich in die Gartenterrassen (Vorgärten) der Häuser überging und erst an deren Spalieren endete.

Der Spielbereich im Osten wurde später verändert. 1978 wurde anstelle des Rasenparterres ein Blumengarten von Prof. E. Fink angelegt. Ziel war die Gewinnung eines vom Ballspiel ungestörten Aufenthaltsraumes.

Und Dr. Kurt Pallmann schrieb 1912 im Buch „Die Gartenkunst“ über die Landauer Straße: „Eine ganz eigenartige Straße ist da in Wilmersdorf bei Berlin entstanden; ein Werk der Berlinischen Boden-Gesellschaft. Solche Einheitlichkeit des Straßenbildes war uns bisher nur aus mittelalterlichen Städten bekannt und allenfalls aus englischen Gartenvorstädten und Landhaussiedlungen.

 

Eine tadellose städtebauliche Lösung nicht nur in Bezug auf die Anlage der ganzen Straße sowie des Platzes, als auch der Anpassung der Häuser an einen Typ, den Typ eines bürgerlich – eigenen, wohltuend einfachen Mietetagenhauses an einer Wohnstraße. Eine Wohnstraße im wahrsten Sinne des Wortes, keine Schau- und Fassadenstraße mit Posamentenbesatz.

Ein einheitlicher braungelber Mörtelputz, eine Farbe beherrscht die Häuserfluchten. Und diese Einheitlichkeit wird noch erhöht durch die gleichmässig festgesetzten Dachlinien und Dachneigungen. Ja, sogar die Brandmauern wurden in ihrem Überstand einbezogen, in die Dachfläche durch Verkleiden mit Dachziegeln.

Man glaubt, hier nicht in einer Millionenmetropole zu sein. Hier geht man wie in einer Dorfstraße“.

Ein wenig lässt sich auch heute – mit etwas Phantasie – noch dieses Bild nachvollziehen.

Wir lernen bei unserem Rundgang aber alle Bereiche der denkmalgeschützten Anlagen kennen.

Etwas besonderes auf der anderen Seite des Viertels ist auch die Lindenkirche, der wir einen kurzen Besuch abstatten möchten.

Abschliessend wie gesagt steht der Besuch des Weinbrunnens, dazu gibt es auch noch einige Hintergrundinformationen.

 

Treffpunkt:

13:30 U Rüdesheimer Platz (U 3) – z.B. via Warschauer Str., Wittenbergplatz oder via S 41/Umstieg zur U 3 – Heidelberger Platz

Dauer max. 2 Std. Preis inkl. Führung 4,-€

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