Treffpunkt: 13:30 auf dem U-Bahnhof Rathaus Reinickendorf
Dauer ca. 2 ½ Std.
Preis: 4,-€
Vor einigen Jahren hatten wir unsere Nordgrabenwanderung abgeschlossen, in dem wir von der Kantine in der obersten Etage des Finanzamtes Reinickendorf weit über den Norden Berlins blickten. Weiter entlang des Nordgrabens gelänge man nach Tegel. Von Tegel allerdings hatten wir schon einmal einen Spaziergang dorthin und weiter zum Steinbergpark und zum „Schollenhof“ unternommen. Und auch Waidmannslust war schon einmal Ziel, als wir einen Spaziergang im Märkischen Viertel unternahmen.
Auch das alte Wittenau – einstmals Dalldorf – selbst war schon mal Thema.
Heute schließen wir mit unserem Spaziergang eine Lücke, entdecken einiges wieder und anderes neu.
Ausgangspunkt ist der U-Bahnhof Rathaus Reinickendorf.
Der U-Bahnhof entstand erst 1994 mit der Verlängerung der U 8 bis Wittenau (ehemals – Nordbahn). Die einst geplante Weiterführung in das Märkische Viertel wird es wohl ebenso wenig geben wie eine schon mal angedachte Verlängerung der Straßenbahn M 1 von Rosenthal durchs Märkische Viertel nach Wittenau.
Eine Besonderheit des Rathauses Reinickendorf ist, neben Konzert- und anderen Kulturveranstaltungen im Ernst-Reuter-Saal und einem noch bestehenden und durchaus gut besuchten Ratskeller, die Tatsache, dass dies das einzige der ehemaligen Berliner Bezirksrathäuser ist, dass nicht im namensgebenden Ortsteil stand bzw. steht. Wir sind am Rande des alten Dorfkerns von Wittenau und nicht etwa im eigentlichen Reinickendorf, wo wir uns auch schon davon überzeugen konnten, dass man dortselbst auch noch ein altes „Berliner“ Dorf erkennen kann.
Vor dem Rathaus finden wir unter anderem einen Findling, der an den Gründer und Namensgeber des heutigen Wittenau erinnert und wir finden hier auch den Ostseebrunnen mit Wappen einiger Ostseeanrainerstädte….
Hinter dem Rathaus treffen wir neben einer „Internationalen Bouleanlage für jedermann“ auf eine ausgedehnte waldähnliche Grünanlage – den Rathauspark, den wir durchqueren.
Hier befindet sich auch ein Denkmal für die Opfer der NS Diktatur und des 2. Weltkrieges.
Das Mahnmal/Denkmal steht mittig auf dem grünen Rasen. Es hat mehrere Inschriften.
Inschrift auf dem Sockel
JEDE WELTANSCHAUUNG DIE SICH AUF GEWALT GRUENDET
RÄDERT DEN MENSCHEN
AUF IHREN SYMBOLEN.
Inschrift der Bodenplatte:
ZUM GEDENKEN
AN DIE UNTER
DER NATIONALSOZIALISTISCHEN
GEWALTHERRSCHAFT
1933-1945
VERFOLGTEN, DEPORTIERTEN UND ERMORDETEN
MITBÜRGER
Inschrift der Steinplatte:
Deutsche,
ihr sollt es wissen
Entsetzen,
Scham und Reue ist das Erste,
was not tut.
Thomas Mann
Früher soll hier an dieser Stelle einmal ein Kriegerdenkmal gestanden haben. Das jetzige Mahnmal wurde 1954 aufgestellt. Es wurde durch die Künstlerin Lidy von Lüttwitz geschaffen. Seit 1995 wurde hier ein Rosenbeet angelegt. Es soll an die Verbrechen in Lidice erinnern.
Der Rathauspark als Grünanlage entstand 1934.
Auf dem Weg kommen wir an der Rückseite des Landeseigenen Friedhofs Wittenau vorbei.
Schon vor 1900 bestand hier der erste Gemeindefriedhof von Dalldorf. Gemeindebaumeister G. Klinner entwarf dann die 1907-08 entstandene Friedhofskapelle und Einfriedung.
Die Einfriedung markiert zu den Straßen hin mit Ziegelpfeilern und Ziegelsockel mit schmiedeeisernem Stabgitter den ehemaligen Umfang des Friedhofs. Auf dem landeseigenen Friedhof Wittenau existieren bis heute noch Grabstätten von alteingesessenen Familien und Bauerngeschlechtern aus Dalldorf/Wittenau. Ehrengrabstätten haben vor allem Kommunalpolitiker, insbesondere Peter Witte (auch Maurermeister, Architekt und Bauunternehmer), Paul Witte und Franz-Otto Müller. Nach Überquerung der nächsten größeren Straße erreichen wir über eine Kastanienallee den Triftpark. 1928 wurde diese Grünanlage in einem Rest des Hermsdorfer Forstes eingerichtet. Der zentrale Platz erinnert in seinem Rund eher an ein Leichtathletik-Stadion. An der Gorkistraße geht es nach rechts und dann links in die Rosentreterpromenade, Teil der Siedlung Steinberg und als solche in den 1920er Jahren als Teil der Bewegung „Freie Scholle“ entstanden. Die 1928 fertig gestellte Mittelpromenade steht ebenso unter Denkmalschutz wie einige der Wohnhäuser, die 1925 nach Plänen von Erwin Anton Gutkind entstanden sind (Nr. 17, 29 und 31/33). Am Ende quert die frühere Industriebahn Friedrichsfelde – Tegel. Es bietet sich ein kurzer Abstecher zum Rosentreterbecken, einem Niedermoorgebiet, an, auf dessen ökologische Bedeutung ein Schild hinweist.
Unten queren wir den Packereigraben und gehen erst einmal in den Steinbergpark. Hier am See und am Fuße des „Wasserfalls“ waren wir schon seinerzeit bei unserem Spaziergang in Richtung Steinbergsiedlung und Schollenhof. Der Packereigraben weitet sich in der Mitte des Parks zum Steinbergsee. An dessen nördlichem Ufer erhebt sich der namensgebende Steinberg rund 60 Meter über den Meeresspiegel. Von seiner Spitze ergießt sich ein Wasserfall nach Süden in den Steinbergsee, während sich am Nordhang eine Rodelbahn zum Waidmannsluster Damm hin erstreckt. Zwischen Waidmannslust, Wittenau und Tegel befand sich ursprünglich ein Waldgebiet, das deutlich ausgedehnter war als der heutige Park – es erstreckte sich vom Packereigraben beiderseits des heutigen Waidmannsluster Damms (damals:Tegeler Weg) bis zum Tegeler Fließ. Der überlieferte Flurname Tegeler Steinberg wurde in der Vergangenheit als Hinweis auf vorgeschichtliche Steingräber interpretiert, allerdings gibt es hierfür keine archäologischen Anhaltspunkte. Das heute im Park zu besichtigende Dolmen-Monument ist lediglich eine moderne Rekonstruktion: In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das Waldgelände im Besitz des Bauern Knobbe aus Lübars. Nach dessen Tod verkaufte seine Witwe 64 Morgen des Geländes im Jahr 1875 an den Förster Bondick, der in Hermsdorf für den dortigen Gutsbesitzer Leopold Lessing tätig war. Bondick errichtete am heutigen Waidmannsluster Damm ein mit Geweihen geschmücktes Gasthaus, das er in Anlehnung an den Waldcharakter der Gegend Waidmannslust nannte. In der Folge entstand nahebei die gleichnamige Villenkolonie und ein Bahnhaltepunkt an der Berliner Nordbahn, sodass auch Berliner Ausflügler das Waldgelände zur Erholung nutzten.
Durch die Bildung von Groß-Berlin im Jahr 1920 lag auch der Wald am Steinberg fortan im Berliner Stadtgebiet. Die Umwandlung des Waldstücks in einen gepflegten Stadtpark geschah dann als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ab 1924, wobei der Reinickendorfer Stadtrat Wilhelm Klempin sich besonders für die Schaffung des Parks stark machte. Der Bezirk Reinickendorf erwarb das Gelände für 290.000 Mark, also für etwa 1,10 Mark pro Quadratmeter. Man begann mit der Anlage von Wander- und Radwegen, es wurden Findlinge aufgestellt, vorhandene Brachflächen begrünt. Einer der Wege erhielt im Volksmund die Bezeichnung „Suppenschlagweg“, da die Arbeiter, die ihn anlegten, hierfür jeweils einen Schlag Suppe pro Tag erhielten. Etwa im Jahr 1928 entwarfen F. Kurth und K. Loewenhagen schließlich den Wasserfall und zwischen 1924 und 1930 wurden auch die erwähnten Dolmen aufgestellt, sodass der Waldpark seitdem im Wesentlichen das heutige Aussehen hat.
Am „Gipfel“ angelangt, geht es nach rechts und wir erreichen den Ortsteil Waidmannslust. Waidmannslust geht auf eine Villenkolonie zurück, die auf den 1875 durch den Förster und Gastwirt Ernst Bondick erworbenen Ländereien gegründet wurde. Leider gibt es vom erwähnten namensgebenden Gasthaus keine Spur mehr. Im Jahr 1884 erhielt die Kolonie einen eigenen Haltepunkt an der Berliner Nordbahn, den heutigen Bahnhof Waidmannslust, der heute von den S-Bahn-Linien S1 und S85 bedient wird. In den Jahren zwischen 1908 und 1912 wurde die Strecke auf ihr heutiges Niveau hochgelegt; auch das Bahnhofsgebäude und die Brücken über den Waidmannsluster Damm stammen aus dieser Zeit und stehen heute unter Denkmalschutz.
Die Königin-Luise-Kirche an der Ecke Bondick-/Hochjagdstraße (ehemals:Kirchstraße) ist seit über 100 Jahren das weithin sichtbare Wahrzeichen von Waidmannslust.
Leider war zur Drucklegung dieser Information nicht klar, ob wir in die interessante Kirche hinein schauen können. Die Königin-Luise-Kirche ist ein neugotisches Gotteshaus, das im Jahr 1913 fertiggestellt wurde. Sie besteht aus weißen Rüdersdorfer Kalksteinen und roten Klinkersteinen aus Rathenow. Zusammen mit der Einfriedung des Geländes und dem Jubiläumsbrunnen auf dem Kirchengrundstück stehen alle Bauten unter Denkmalschutz. Die Planung der Kirche im Stil der norddeutschen Backsteingotik wurde im 100. Todesjahr der Königin Luise von Preußenbegonnen, deren Namen sie trägt. Architekt war Robert Leibnitz. Die Kaiserfamilie nahm persönlichen Anteil am Bau.Wilhelm II. wünschte die Gestaltung des Portalgiebels nach dem Vorbild des Tangermünder Rathauses. Kaiserin Auguste Viktoria übernahm die Schirmherrschaft, hatte sich aber bei der Einweihung am 9. Oktober 1913 entschuldigen und durch den Prinzen August Wilhelm vertreten lassen. Die Königin-Luise-Kirche ist eine Hallenkirche in Nordausrichtung. Der nordwestlich angefügte hohe rechteckige Turm besteht aus einem Schaft aus hellem Werkstein und einem Obergeschoss aus Backstein mit Glockenhaus und doppeltem Treppengiebel, der Vorbildern wie der Usedomer Marienkirche nachgestaltet ist. Über dem Haupteingang im Süden steht in einer spitzbogigen Nische die Statue der Königin Luise, eine weiße Skulptur im Jugendstil. Ein aus dem 17. oder 18. Jahrhundert stammender Grabstein aus rotem Mainsandstein, den man während des Kirchbaus am Bahndamm der Nordbahn gefunden hatte, wurde in die östliche Außenwand eingebaut. Er zeigt Christus, an einem eingeritzten Kreuz hängend, über einem Totenschädel. Nach ihrer Fertigstellung verfügte die Kirche 1913 über drei Glocken, die in der Glockengießerei Franz Schilling & Söhne in Apolda gegossen wurden.
Ihre erste Orgel lieferte die Orgelbaufirma Paul Voelkner in Bromberg (heute: Bydgoszcz in Polen). Zwei der Glocken mussten im Ersten Weltkrieg, die dritte im Zweiten Weltkrieg abgeliefert werden, ebenso die 1925 gelieferten Ersatzglocken. Im Jahr 1958 erhielt die Kirche vier neue Glocken aus der Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock in Gescher/Westfalen, eine von Eberhard Tolle aus Preetz in Holstein erbaute neue Orgel im Jahr 1966.
Ein weiterer interessanter Punkt unseres Spazierganges ist dann noch die Cité Foch. Die Siedlung entstand im Wesentlichen zwischen 1952 und 1976 als Wohngebiet für die französischen Streitkräfte in Berlin und deren Angehörige. Die Cité Foch (anfangs auch Cité Tucoulou) hatte sich mit der Zeit zum größten der französischen Wohngebiete entwickelt. Auf rund 47 Hektar befanden sich 785 Wohnungen (80 Gebäude), die höchste Bewohnerzahl erreichte die Siedlung 1991 mit 2600 Personen. Ursprünglich befand sich hier die Maschinenfabrik Cyclop, deren Lager im August 1945 von französischen Einheiten als Notbehelf bezogen und „Camp Foch“ (nach Ferdinand Foch, einem französischen Marschall im Ersten Weltkrieg) benannt wurde. Da sich auf dem Gelände auch militärische Einrichtungen befanden, war die Cité Foch nicht öffentlich zugänglich. Nach der deutschen Wiedervereinigung fiel das Grundstück an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). An der Rue Montesquieu nutzte der Bundesnachrichtendienst nach dem Abzug der Franzosen noch für eine Weile denAntennenmast und ein Verwaltungsgebäude. Anfang der 2000er Jahre drohte die Cité Foch zu einer Geisterstadt zu werden. Die Wohnungen konnten nur schwer vermietet werden, da sie für neue Mieter zu groß waren. Entsprechend der Bauzeit waren sie schlecht geschnitten, marode und zudem wurden überwiegend nur befristete Mietverträge angeboten. Erst nach einer Sanierung durch die BImA um 2000 besserte sich die Situation. Zwischen 2007 und 2010 konnte der Leerstand von 33 auf 7 % gesenkt werden. Aus planerischer Sicht leidet die Cité Foch wie auch andere ehemalige Berliner Wohngebiete der Westalliierten heute darunter, dass sie nicht unter Anwendung des deutschen Planungsrechts errichtet wurden. Da bei der Bebauung keine Flurstücksaufteilung stattfand, sind die in der Siedlung liegenden Straßen und Grünflächen somit auch nicht öffentlich, sondern Privatgelände. Die Anlagen der Ver- und Entsorgung befinden sich größtenteils außerhalb des Straßenlandes. Bei der Erschließung der Gebäude wurde auf mögliche Baulasten kaum Rücksicht genommen, da es zwischen öffentlichen und privaten Grundstücken keinen Unterschied gab.
Speziell in der Cité Foch kommt noch das Problem hinzu, dass die zivilen Einrichtungen, die sich hier konzentrierten, unter dem Versorgungsaspekt der französischen Militärangehörigen geplant wurden und seit dem Abzug der Truppen nicht unbedingt dem tatsächlichen lokalen Bedarf entsprechen. Die Genehmigung dieser Einrichtungen unterlag damals nicht dem deutschen Planungsrecht. So wurden zum Beispiel auch nicht die Vorschriften des Immissionsschutzes beachtet, was die Schutzabstände zwischen Wohnbebauung und umliegenden Industriebauten anbelangt.
Unser Spaziergang schließt am S-Bahnhof Waidmannslust ab, um die Ecke gibt es mehrere Möglichkeiten z.B. einen Kaffee zu trinken….