22.3.18 Berliner Stadtwanderung IV. AUF WALTER LEISTIKOWS SPUREN ENTLANG DER GRUNEWALDSEENKETTE I – WINTER AM SCHLACHTENSEE UND DER KRUMMEN LANKE

Achtung! In der Online-Version kommen die Bilder nicht!

Treffpunkt/Start: auf dem S-Bahnhof Schlachtensee (S 1) 10:30 Uhr

Wegstrecke: ca. 8,5 km bei gemütlichem Tempo, mit Pausen

Preis inkl. Führung 5,-€

In der Tat – es ist überraschenderweise noch Winter und deshalb müssen wir etwas improvisieren…

Den Kaiser Wilhelm II. brachte Walter Leistikow mit seinen zahllosen Darstellungen von mit Kiefern gesäumten Seen auf die Palme: «Er hat mir den ganzen Grunewald versaut», wetterte Wilhelm II. mit Bezug auf das Berliner Naherholungs-Gebiet, das sich um 1900 zum Villen-Vorort entwickelte. Doch der Maler scherte sich nie um monarchische Wertschätzung. 1908 kommentierte er im «Berliner Lokal-Anzeiger» ein letztes Mal die ästhetische Selbstüberschätzung eines Herrschers, den er verachtete: Der Dom, Wilhelms liebstes Neubau-Projekt, sei der «Schrecken eines jeden Europäers» und Berlin nicht nur städtebaulich dem Untergang geweiht.

«Es ist alles zu Ende! Ich auch.», schrieb Leistikow – und kam seinem nahenden Syphilis-Tod mit einem Pistolen-Schuss zuvor.

Walter Leistikow erschoss sich am 24. Juli 1908 während eines Aufenthalts im Sanatorium Hubertus in Berlin-Schlachtensee im Endstadium seiner langjährigen Syphilis-Erkrankung. Nach einer großen ehrenvollen Trauerfeier im Berliner Secessionsgebäude wurde er auf dem Friedhof Steglitz beigesetzt.

Seinem Ehrengrab haben wir im vorigen Jahr bereits einen Besuch abgestattet.

Und wie war das mit Leistikow und dem Kaiser?

Zunächst hatte man den Maler an der Hochschule für bildende Künste wegen Talentlosigkeit entlassen. Dann arbeitete er sich doch empor und wurde zum zeitweise beliebtesten Maler Berlins.

Und dann kam eine Ausstellung….

 

 

Abendstimmung am Schlachtensee

 

Märkischer See bei Sonnenuntergang. Inspiriert möglicherweise von seinem

Grunewaldsee-Motto

Waldsee im Winter – passt eher zum heutigen Programm

 

Seine Majestät war ganz und gar nicht amüsiert. Erst verstopfte ihm dieser impertinente Museumsdirektor Hugo von Tschudi die Räume der Nationalgalerie mit französischen Impressionisten. Und dann wagte es der Kerl auch noch, ihm bei einer Museumsvisite, kaiserlichen Einwänden vorgreifend, Walter Leistikows vermaledeiten „Grunewaldsee“ zu präsentieren. Leistikow selbst – man hatte es ihm zugetragen – wusste zu berichten, der Kaiser habe ihn einen „Anarchisten“ geschimpft, „den ganzen Grunewald hat er versaut“.

Der 1865 in Bromberg (heute: Bydgoszcz), Provinz Posen, geborene Leistikow war 1883 nach Berlin gekommen, um sich hier zum Maler ausbilden zu lassen, fand sich in dem konservativ-akademischen Kunstbetrieb aber nicht zurecht und wurde nach einem halben Jahr aus der Hochschule für bildende Künste entlassen – wegen angeblichen Talentmangels. Seinen Drang zur Malerei bremste das nicht, er fand Privatlehrer, begann nach der vierjährigen Ausbildung seine Arbeiten in der Königlichen Akademie der Künste auszustellen, wurde bald selbst Lehrer und mit Landschaftsbildern ein gefragter Künstler.

Und er fand schnell Anschluss an damals junge Intellektuelle wie Gerhart Hauptmann oder Theodor Wolff – mit beiden verband ihn eine lebenslange Freundschaft. Dass ihn auch Künstler-Konkurrenten wie Lovis Corinth oder Max Liebermann schätzten, lag vor allem an seinem Freigeist, Gestaltungswillen und der Respektlosigkeit gegenüber höfischem Establishment. Den Akademie-Präsidenten und Hof-Maler Anton von Werner machte Leistikow sich zum Feind, als er gegen die verkrusteten Jahres-Ausstellungen opponierte.

Er gründete 1892 gemeinsam mit Liebermann und neun weiteren Künstlern die Gruppe «Vereinigung der XI», sozusagen den Prototyp einer Produzenten-Galerie. Deren Erfolg ermutigte Leistikow, 1898 die «Berliner Secession» ins Leben zu rufen: Sie konnte bald ihr eigenes Haus am Kurfürstendamm eröffnen. Zwei Jahre später engagierte er sich mit Harry Graf Kessler für die Gründung des «Deutschen Künstlerbundes».

Seine weit reichenden Kontakte in die Kunstwelt spiegeln sich in Leistikows Malerei kaum wider. Er schuf weder Porträts noch Stadt-Ansichten oder Genre-Darstellungen, sondern kommunizierte über die Landschaft, besonders die brandenburgische.

Mit der Akademiemalerei hatten die Bilder wenig gemein, und eines der Werke, das 1895 entstandene, den Kaiser so ärgernde „Grunewaldsee“, wurde zur Initialzündung für den Bruch in der hiesigen Kunstszene, die Gründung der Berliner Secession im Mai 1898. Sie hatte sich allmählich angedeutet: Sechs Jahre zuvor war die Vereinigung der XI gegründet worden, ein Zusammenschluss moderner Künstler, die sich neue Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten für ihre vom etablierten Kunstbetrieb ignorierten Arbeiten versprachen. 1892 war auch das Jahr der Munch-Affäre, als die Ausstellung des norwegischen Malers beim Verein Berliner Künstler auf Initiative des Vorsitzenden Anton von Werner vorzeitig beendet wurde – nach einer Kampfabstimmung mit knapper Mehrheit. Aber den letzten Anstoß zum Bruch in der Berliner Künstlerschaft gab Leistikows „Grunewaldsee“. Der Maler wollte das Gemälde 1898 auf der Großen Berliner Kunstausstellung zeigen, die Jury lehnte es ab. Wenige Monate später wurde die Berliner Secession gegründet, mit Leistikow als „Vater“ und „treibender Kraft“, wie Liebermann sagte, und ihm selbst als Präsidenten.

Die Aversion des Kaisers gegen Leistikows Werke hat dem Maler nicht geschadet. Das umstrittene Gemälde kaufte der Bankier und Mäzen Richard Israel und schenkte es 1898 der Nationalgalerie, wo es noch heute hängt.

Und auch um den Kaiser wohl etwas zu provozieren, rief Walter Leistikow aus: Die Welt will von mir Grunewald, die Welt soll Grunewald von mir kriegen.

Oben sehen wir einige Beispiele…

1905 ließ die Zeitschrift „Die Woche“ den beliebtesten Maler Berlins ermitteln, Leistikow kam auf Platz 2 – nach Menzel. Damals war er schon schwer an Syphilis erkrankt, hatte mit immer heftigeren Krankheitsschüben zu kämpfen. Die Lage wurde für ihn immer hoffnungsloser, und am 24. Juli 1908, während eines Aufenthalts im Sanatorium Hubertus in Schlachtensee, erschoss er sich (siehe oben).

Zitiert nach: Andreas Conrad, tagesspiegel

Wir setzen unsere Wanderung zu einer anderen Jahreszeit gern später einmal fort..

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Berliner Stadtwanderung veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


*