26.3.18 Rund ums alte Berliner Zeitungsviertel in der südlichen Friedrichstadt

Treff: 10:30 Uhr auf U-Bahnhof Kochstraße (U 6)

Dauer ca. 2 ½ Std.

Preis: 5,-€

An der Kreuzberger Kochstraße, jetzt hier Rudi-Dutschke-Straße, stehen sich die Axel Springer AG und die tageszeitung (taz) im traditionsreichen Zeitungsviertel gegenüber. Im Kaiserreich ließen die Zeitungszaren Leopold Ullstein, Rudolf Mosse und August Scherl hier erstmals in Deutschland Blätter für ein Massenpublikum drucken. Diese Verlagsimperien und an die hundert Redaktionen, größere und kleinere Druckereien und grafische Betriebe bildeten den Kern der Zeitungsstadt Berlin. Sie sorgten für Betrieb rund um die Uhr in den Straßenzügen der südlichen Friedrichstadt….

Aber auch Hunderte von Druckereien, Klischeeanstalten, Buchbindereien und Schriftgießereien konzentrierten sich hier. Die unmittelbare Nähe zu den politischen Entscheidungszentralen und zum Anhalter Bahnhof mit dem kaiserlichen Postzeitungsamt machten das Quartier für die Zeitungsunternehmen außerordentlich attraktiv. Der zentrale Standort sorgte zudem für einen direkten Draht zum Berliner Publikum, das bei wichtigen Ereignissen zu Tausenden in das Viertel stürmte, um schnell an die kostenlos verteilten Extrablätter zu gelangen.

An Rundfunk oder gar Fernsehen war damals ja noch nicht zu denken!

Der Ullstein-Verlag war im Kaiserreich und in der Weimarer Republik der größte deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenproduzent. Er hatte seit 1881 seinen Sitz in der Kochstraße. Bei Ullstein erschienen unter anderem das Neue Berliner Tageblatt, die Berliner Morgenpost und die B.Z. am Mittag sowie die überaus erfolgreiche Berliner Illustrierte Zeitung. Seit 1914 leitstete sich der Verlag mit der Übernahme der altehrwürdigen Vossischen Zeitung ein „publizistisches Schmuckstück“.

Zwei Blocks weiter nördlich an der Jerusalemer Straße/Schützenstraße erschien bei „Mosse“ das deutschlandweit viel gelesene Berliner Tageblatt. Der langjährige Chefredakteur Theodor Wolff sorgte für dessen Qualität.

Noch heute gibt es einen Preis seines Namens und außerdem einen kleinen Platz an der Friedrichstraße.

In der Zimmerstraße wiederum verlegte August Scherl den Berliner Lokal-Anzeiger, aber auch „Der Tag“, „Die Woche“, „Die Gartenlaube“ und „Sport im Bild“.

Qualität hatte aber seinen Preis und Scherl überhob sich finanziell und Alfred Hugenberg, später einflussreichster Gegner der Weimarer Republik und Steigbügelhalter Hitlers, übernahm 1916 das Unternehmen.

Vielleicht symbolisch steht heute Springer zum Teil auf diesem Grundstück und der Hautpeingang zu „Springer“ ist jetzt hier hinten (dem Vernehmen nach auch, damit „Springer“ nicht unter Rudi-Dutschke-Straße addressieren muß!).

In der Weimarer Republik wurde im „Zeitungsviertel“ die Parteipresse aller Coleur redigiert und gedruckt, der sozialdemokratische „Vorwärts“, Willi Münzenbergs „Arbeiter Illustrierte Zeitung“, die Naziblätter wie „Völkischer Beobachter“ und „Stürmer“, aber auch das bürgerliche Feuilleton und der Fotojournalismus blühten, selbst die liberalen Titel von Ullstein und Mosse hatten wachsende Auflagen, die Berliner Illustrirte Zeitung verkaufte Ende der 1920er Jahre zwei Millionen Exemplare.

Doch dann kam die Machtübertragung an die Nazis, ihr folgte binnen Wochen und Monaten die Gleichschaltung der Presse, unliebsame sowie jüdische Verleger und Journalisten erhielten Berufsverbot, Theodor Wolff sowie die Familien Ullstein und Mosse verließen Deutschland. Der Ullsteinverlag wurde 1934 weit unter Wert an Max Winklers goebbelnahe Cautio GmbH verkauft, ein Jahr zuvor hatte der bereits den insolventen Mosse-Verlag übernommen, auch Hugenbergs Imperium kam endgültig unter NS-Kontrolle.

Dann kamen die weiträumigen Zerstörungen des Krieges in dem Gebiet, allein eien Druckerei in der Zimmerstraße blieb unzerstört, hier war der Völkische Beobachter gedruckt worden und die Gestapo betrieb hier einen Folterkeller, auf Geheiß der SMAD wurde hier schon eine Woche nach der Befreiung die „Tägliche Rundschau“ gedruckt, später befand sich hier direkt an der „Mauer“ die Druckerei Neues Deutschland.

Die Teilung der Stadt bedeutete nach der Kriegszerstörung das Ende des historischen Zeitungsviertels – trotzdem gibt es heute noch beiderseits einige interessante Entdeckungen, auch unabhängig vom eigentlichen Thema – der Entwicklung des alten Zeitungs- zum modernen Medienviertel…..

Zitiert nach: „Vom Zeitungsviertel zum Medienquartier“ Rund um die Kochstraße (Initiative Historisches Zeitungsviertel, c/o Museum für Kommunikation Berlin, Flyer. O.,J.)

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