11-08.16 Hessenwinkel mit einem Abstecher nach Neu-Venedig

Am Ende des 19. Jahrhunderts entstand am Nordufer des Dämeritzsees, zur Gemarkung Rahnsdorf gehörig, durch Verkauf von Parzellen durch den Preußischen Forstfiskus eine Villenkolonie, damals -und gefühlt auch heute noch – weit vor den Toren Berlins. Schon kurze Zeit später entstand die erste Gemeindeschule, heute baulich nicht mehr vorhanden, neben der kambodschanischen Gaststätte “Bayon“, sowie die einzigartige Waldkapelle, in die wir auch einen Blick werfen werden.
Doch die Geschichte der heutigen Ortslage ist etwas älter, sieht man mal von ur- und frühgeschichtlichen Funden am Dämeritzsee ab.
Im Jahre 1704 wurde bei einer Landaufnahme das Gebiet nördlich des Dämeritzsees und östlich der Müggelspree als “Haßel Winckel“ bezeichnet, die Bezeichnung hat also wohl nichts mit “Hessen“ zu tun.
Der Pächter Landjäger Friedrich von Bock erhielt 1741 nach langem Bitten vom neuen König, Friedrich II., endlich die Erlaubnis ein Tagelöhnerhaus, von dem selbst nichts mehr übrig ist, zu errichten, um sein in der Nähe befindliches Ackerland mit Luch urbar machen zu können. In den folgenden Jahrzehnten entstanden das Gut mit Häusern und Wirtschaftsgebäuden, von denen man heute noch Reste, die in die spätere Bebauung der Villenkolonie einbezogen wurden, erkennen kann. Mit dem Bau des “Gesellschaftshauses Hessenwinkel“ mit Badeanstalt, Musik- und Schießhalle, Kegelbahnen und Boots- und Dampferanlegestellen die Entwicklung der Gegend zum Ausflugsziel und damit auch zur Sommerfrische, so dass begüterte Berliner auch gern ganz hierher ziehen wollten.
Wir widmen uns bei unseren Rundgang den verschiedenen Aus- und Durchblicken über den Dämeritzsee, gegenüber das Spree-Eck, wo die Spree auf ihrem Weg von der Quelle in der Oberlausitz zur Mündung in die Havel in Spandau in den Dämeritzsee fließt, gehört bereits zu Erkner.
Wir gehen jetzt zur Waldkapelle, wo uns jemand vom Förderverein zu einer kurzen Besichtigung erwartet.
Als eine kleine Kirche mitten im Wald, idyllisch unter großen Waldbäumen gelegen, wird die “Waldkapelle“ zu Hessenwinkel beworben. Erbaut wurde das Kirchlein “Zum anklopfenden Christus“ 1909/10 nach Plänen der Architekten Peter Jürgensen und Jürgen Bachmann, die auch für das Rathaus Schöneberg verantwortlich waren. Die Bewohner der neuen Siedlung hatten das Geld aufgebracht, denn zuvor mussten sie sich zum Gebet im früheren Gutshaus oder in einer Villa in der Waldstraße treffen. Die weiteren Kirchen der Gemeinde Rahnsdorf, zu der Hessenwinkel wie auch Wilhelmshagen gehörten und gehören, waren viel zu weit entfernt. Das war dann nach 1945 auch das Problem, wegen fehlender Mittel war die Kirche ab den 1960er Jahren dem Verfall preisgegeben. Auch die damals üblichen Umbauten im Kircheninnern waren durchaus nicht zum Vorteil.
Unmittelbar nach der “Wende“ begann sich ein Förderverein mit Geschick und Phantasie um die Kirche zu kümmern, unter anderem gehört dazu auch eine kulturelle Nutzung und so konnte die Waldkapelle gerettet und weitgehend wiederhergestellt werden.
Nach der Besichtigung führt unser Spaziergang weiter zum Hubertussee, einem früheren Waldsee, der in die Villenkolonie integriert wurde. Der Südzipfel Hessenwinkels stellt sich als eine künstliche Insel dar. Schon im 19’Jahrhundert, vor der Bebauung dieser Gegend, hatte man für die anwachsende Schifffahrt den Kanal zur Müggelspree durchgestochen, um den oft versandenden und sehr eng winkligen Altarm der Spree an dieser Stelle zu umgehen. Die “Insel“ wurde dann als letzter Teil der “alten“ Villenkolonie, die weiteren Bauten stammten aus der Zwischenkriegs- und der DDR-Zeit, 1912/13 bebaut. Bei der Straßenbenennung wollte msn den frühen Bewohnern der Gegend Tribut zollen. Der einäugige germanische Gott Wodan steht hier, in der Nebengasse sein Sohn Baldur, auf der rückseitigen “Hauptstraße“ der mit drei goldenen Köpfen ausgestattete Slawengott Triglaw. Die Brücke aus Eisenfachwerk ist auch ein „Hingucker“, kam aber erst in den 1920er Jahren von der Jannowitzbrücke hierher. Der Weg über die ;“Insel“ endet am Ausfluss der Spree aus dem Dämeritzsee. Gegenüber zur Linken die Erkneraner Ortslage Neuseeland, geradezu das einst zur Gemarkung Schmöckwitz gehörende Gebiet der Gosener Landschaftswiesen, einst Teil des alten Spreetales, Den dort beginnenden Gosener Kanal, wie wir ihn heute kennen, hatten die Nazis ab 1933 mit Hilfe des Reichsarbeitsdienstes und wohl auch Häftlingen errichtet, damit man den Schiffsverkehr ausgehend vom Seddinsee um die olympische Regattastrecke von 1936 umleiten konnte.
Über den alten Spreearm führt die seit einiger Zeit auch offiziell so genannte Russenbrücke. Im April 1945 hatte sich die heranrückende Rote Armee hier einen provisorischen Übergang geschaffen. Es gibt oder gab aber auch Hinweise auf hier durchreisende Russen im Siebenjährigen Krieg, die auch das Anwesen des Gutes „Haßel Winkel“ in Mitleidenschaft gezogen haben sollen…
Philipps Fischerhütten stehen für eine lange Tradition der Fischerei hier, ich kann hier nur an unsere Wanderung „Rund um die Gosener Wiesen“ erinnern und auf den “Fischer vom Kaniswall“ hinweisen.
Jetzt kehren wir aber wieder auf die Hessenwinkler resp. Rahnsdorfer Seite der Müggelspree zurück. Unterwegs passieren wir den Friedhof Hessenwinkel und erreichen Neu-Venedig. Als wir vor einigen Jahren eine Wanderung „Links und rechts der Müggelspree zwischen Müggelheim und Rahndorf o.ä.“ unternahmen, hatten wir uns schon einmal mit Neu-Venedig beschäftigt, daher erfolgt hier nur eine kleine Reminiszenz.
Das Gebiet nördlich der Müggelspree, soweit es nicht dem Forstfiskus unterstand, gehörte um 1880 dem Rittergut Rahnsdorf. 1890 wurde das Rittergut einschließlich des früheren Gutes Hessenwinkel an die Stadt Köpenick verkauft. Die sumpfigen Spreewiesen als Vorflutgelände gehörten damals ebenfalls dazu. Doch was sollte man damit anfangen? Das Bauamt von Berlin-Köpenick erstellte 1925 einen Bebauungsplan und ab 1926 wurden als Vorleistung Entwässerungskanäle angelegt. Im damals noch “Neu Kamerun“ genannten Gebiet entstanden in kurzer Zeit fünf Kilometer Kanäle, die sechs Inseln umfließen, zehn Straßen- und drei Fußgängerbrücken.
1928 wurde dann die Neue Rahnsdorfer Terraingesellschaft mit dem Verkauf von 374 Wassergrundstücken beauftragt, die sich bis heute im Privatbesitz befinden.
Mit dem Bau des Gosener Kanal erhöhte man 1935 die Wege, die bis heute aber nur geschottert sind, wegen des morastigen Untergrundes. Inzwischen hatte sich auch offiziell der Name Neu-Venedig für die Siedlung eingebürgert. Namen wie Lagunenweg und Rialtoring stehen dafür im Straßenbild.
Der innere Bereich ist bis heute für das Dauerwohnen gesperrt, denn Neu-Venedig steht für den Notfall eines Hochwassers auf Berlin als Flutgelände zur Verfügung. Nur einmal, 1947, passierte das tatsächlich.
Nach dem zweiten Weltkrieg zogen Ausgebombte aus Berlin nach Neu-Venedig hinaus, später entstanden “Datschen“ und Villen für Promis bzw. Menschen, die sich für wichtig hielten und halten…
Wir können entweder im Vereinsheim “Neu Venedig“ oder “oben“ im Laguneneck eine abschließende Rast einlegen.
Treffpunkt: 10:37 an der Bushst. Lutherstraße, zur Ankunft des Busses 161 aus Schöneiche/Rahnsdorf in Richtung Erkner.
Zugang z.B. S Wilhelmshagen 10:29
Hierher z.B. mit S 3 9:51 ab Ostkreuz Richtung Erkner, 10:04 ab Köpenick,,,,
Wegstrecke/Dauer ca. 2 1/2 Std., 5 km
Preis inkl. Führung: 4,-€, ggf. ztzl. kleine Spende für Kirche/Förderverein

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